Die Welt befindet sich im größten wirtschaftlichen, sozialen, ökologischen, wie technischen Wandel der Geschichte. Es bleibt kein Stein auf dem anderen. Wer die Nase in Zukunft vorne hat, muss sich heute die richtige Strategie definieren und konsequent investieren. Letzteres haben amerikanische und asiatische Investoren bestens seit 30 Jahren verstanden, während Europa als Brutkasten – oder „Legebatterie“ – für High-Tech Forschung, Erfindungen und Talente, in industriellem Ausmaß ausgebeutet wird.

Europäische Investoren sind bei entscheidenden Finanzierungsrunden – mit mehr als EUR 50m – meist nur Zuschauer, hier steigen Chinesen oder Amerikaner ein und profitieren vom weltweiten ausrollen führender Technologien und Services (die sich bereits weitgehend bewiesen haben). Intellektuelles Eigentum ist damit nicht mehr so eng an Europa gebunden, und eine Abwanderung vorprogrammiert. Die wirtschaftliche Folge ist ein Milliardengrab für die Volkswirtschaft – da man die Erfolge der frühen und langfristigen Investitionen in Bildung, Forschung und Unternehmensgründungen (Förderungen), nicht einfährt. Es wirkt gerade zu schizophren, wenn wir auch noch darüber jubeln das europäische Firmen von ausländischen Milliardenfonds finanziert werden. Noch viel verrückter ist es das wir diesen Firmen verwehren internationale Spitzentalente (Fachkräfte!) am Standort Österreich anzusiedeln (Stichwort: Bitpanda CEO, Eric Demuth „Rot-Weiss-Rot Karte – wir haben es aufgegeben..“). Wir sollten uns ernsthaft fragen, ob wir uns diese Verluste volkswirtschaftlich wirklich leisten wollen.

Der Schein trügt

Es vergeht derzeit keine Woche, in der wir nicht von europäischen Startup-Erfolgsgeschichten lesen. Der Deal-Monitor von dealmatrix.com wird wöchentlich aktualisiert und gibt einen guten Überblick über die größten Deals in Europa. Der Trend in 2021 ist eindeutig: Finanzierungsrunden werden immer größer, die Zahl der Startups mit einer Bewertung von über EUR 1 Mrd. und einem Alter unter 10 Jahren (sog. „Unicorns“), immer höher. Die Zahl der Fonds, für frühe Wachstumsphasen, steigt ebenfalls (diese werden häufig staatlich subventioniert). Wir entdecken jede Woche „neue“ Investoren, die Talente von morgen von der ersten Stunde an begleiten wollen. Bei den großen Runden, sind es hingegen immer die selben Namen – meist aus Asien und Nordamerika – die Schlagenzeilen machen. Milliardenfonds aus Europa gibt es leider kaum.

Paradox – in Europa (insb. Österreich) lässt sich die Politik (trotzdem) für Unicorn „Erfolge“ feiern und fühlt sich zu gerne in ihrem Weg bestätigt. Das Startup Ökosystem sieht das mit einem lachenden und einem weinenden Auge. Wir freuen uns das die Politik Kenntnis nimmt von den Erfolgen, ärgern uns aber im selben Moment über die vielen kleinen Schikanen mit denen wir täglich zu kämpfen haben. Die Realität sieht leider auch im direkten Vergleich mit den Nachbarn düster aus. In der Bundesrepublik Deutschland, wo vieles bereits Realität geworden ist, was in Österreich seit Jahren gefordert wird (Investitionsfreibetrag, Investitionsprämie, steuerliche Bevorzugung von Mitarbeiterbeteiligungen, ein Dachfonds der Republik, etc.), ruft man aktuell laut nach dem Lösen der Handbremse. In Österreich lesen wir davon, gehen in uns, und denken (mit Blick auf Deutschland): „Wenn Deutschland mit der Handbremse fährt, dann stehen wir mit einer Kutsche ohne Pferd daneben. Wie sollen wir da mithalten?“.

Das Startup-Thema ist Politikern der letzten vier Regierungen in Österreich immer recht gewesen, wenn es darum ging – auf Fotos – als Unterstützer von Innovation und jungen, dynamischen, kreativen Gründern aufzutreten. In der Umsetzung von Maßnahmen sah die Welt dann immer anders aus. Ich habe das ein paar Jahre als AVCO Vorstand selbst aus der ersten Reihe miterlebt. Tourismus, Gastwirtschaft und Bauern haben immer Vorrang. Es geht dort um eine viel höhere Zahl von Wählerstimmen, dass müsse man verstehen, hört man bei Hintergrundgesprächen in politischen Kreisen. Es ist unerheblich wer einen höheren Pro-Kopf-Beitrag zum BIP beiträgt, oder schneller gut bezahlte Jobs schafft. Die Zukunftssicherung der Republik, deckt sich nicht mit Regierungsperioden. Gegenüber kurzfristigen „quick wins“ ist damit Standortpolitik einfach nachrangig. Diese Kurzsichtigkeit ist nicht nur peinlich und endtäuschend, sie setzt auch Chancen und Wohlstand zukünftiger Generationen aufs Spiel. Wo sind die Politiker mit Weitblick geblieben?

Die zunehmende Verzögerung oder doch-nicht-Umsetzung von längst versprochenen Maßnahmen, erregt zuletzt immer häufiger die Gemüter in der Startup- und Risikokapitalszene. Besonders treffend hat es Dejan Jovicevic, der Eigentümer des führenden Wirtschafts- und Innovationsmediums „Brutkasten“, in seinem Podcast vom 23.06.2021, auf den Punkt gebracht: „Europa braucht Unicorns mehr, als Unicorns Europa!“ ich kann dieser Kernaussage nur 100% zustimmen. Die Politik hätte die einmalige Chance das Momentum zu nutzen.

Die richtigen Maßnahmen könnten einen gewaltigen wirtschaftlichen Aufschwung einleiten und unseren Standort für die nächsten Generationen nachhaltig sichern. Wir müssen weder Edu-Tech, noch Green-Tech Hub werden, Österreich war und ist immer schon ein vielfältiger Deep-Tech (sogar Life Science) Standort gewesen. Unsere Stärke ist die enorm hohe Kompetenz in der Forschung – hier schlummern echte Rohdiamanten die endlich versuchen sollten zu schleifen. Wenn wir Stolpersteine aus dem Weg räumen, Talenten, Gründern, und ihren Kapitalgebern bessere Anreize und Freiräume schaffen, dann kann sich in Österreich größeres Potenzial als einst im Silicon Valley entfalten.

Wollen wir erfolgreich sein – müssen wir schnell und entschlossen, entscheidende Maßnahmen setzen. Schluss mit zahnlosen Reden, wir brauchen konsequente Umsetzung. Als gelernter Österreicher weiß ich das „gerne“ rund 16 Institutionen (mit je 2-5 „Experten“) in Reformen eingebunden werden, was meist nur zu absolut entbehrlichen Blockaden, oder wirklich sinnlosen Ideologiedebatten, führt. Damit muss Schluss sein! Wir brauchen neue Entscheidungswege und mehr Effizienz in der Umsetzung. Es kann nicht sein, dass verstaubte Universitätsprofessoren jede kleine Anpassung am Gesellschaftsrecht verhindern. Es ist unfassbar, nein – gerade zu empörend, dass die Arbeiterkammer (AK) gegen Mitarbeiterbeteiligungen wettern, obwohl genau diese zu mehr Wohlstand und Anerkennung der Angestellten führen würden. Wie zeitgemäß die Kammern und Strukturen in Österreich heute noch sind, stelle ich in diesem Zusammenhang ernsthaft in Frage.

Wir haben eine Regierung gewählt und erwarten Resultate. Das Regierungsprogramm ist verabschiedet – setzt es um!

Europa hätte die besten Voraussetzungen

„Es ist selten, dass die Start-up-Welt in Europa den Amerikanern etwas voraus hat, aber es kommt häufiger vor, als man gemeinhin so denkt. Zum Beispiel leben in Europa mehr Entwickler als in den USA. Europa hat starke (Anm. vielfach weltweit führende) Industrieunternehmen, die sich digitalisieren wollen, und tolle Universitäten.“ schreibt Miriam Schröder bereits am 04.12.2018 im Handelsblatt. Das Problem? Damals, wie heute, war der Output nicht genug. Zweieinhalb Jahre später und wir bringen unsere PS immer noch nicht auf die Straße.

Was ist nochmal schlecht an den steigenden Zahlen?

Es ist richtig, dass Investitionen in europäische Start-ups anziehen und regelmäßig Rekorde brechen. Es ist auch richtig das die Pandemie ein Treiber für Digitalisierung und Innovation ist. Freuen dürfen wir uns trotzdem nicht, da die steigenden Zahlen im Sog eines globalen Trends nicht besser, sondern sogar eher schlechter sind als der übrige Markt. Wir sind also under- und nicht der outperformer.

Besonders plakativ sind sieht man diese traurige Tatsache, wenn wir die Zahl der Tech-Börsegänge in Europa und den USA vergleichen – hier freuen wir uns über 10-15 angekündigte Tech-Emissionen für das Jahr 2021 während in New York geradezu täglich die Glocke für ein Tech-IPO läutet. Der funktionierende Zug an den Kapitalmarkt ist eine konsequente Folge eines funktionierenden Private Equity (Venture Capital) Markts, den man daher auch in Fachkreisen als vorbörslichen Kapitalmarkt bezeichnet. Diese Tatsache wird seit Jahrzehnten von den meisten Börsen in Europa konsequent ignoriert. Die Wienerbörse hat kaum Börsegänge zu verzeichnen und verliert Jahr für Jahr an Boden – Innovation, Private Equity, oder Venture Capital sind dennoch nicht einmal irgendwo auf der Agenda in der Chefetage in Wien. In Frankfurt sieht man das anders – die Deutsche Börse hat mit dem „Deutsche Börse Venture Network“ einen starken Partner für Scale-Ups geschaffen und konnte die Option eines Börsegangs am neuen Segment „Scale“ in wenigen Jahren sehr gut promoten.

Gerade institutionelle Investoren – das sind Pensionskassen und Versicherungen – spielen bei Platzierungen an der Börse (als Investoren) eine wichtige Rolle. Sie verwalten in Europa mit Abstand das meiste Geld. Es ist nicht weiter verwunderlich das eben diese Investoren – international – zu den größten Private Equity und Fondsinvestoren zählen. In Europa sind sie kaum aktiv. Genau hier liegt das größte Problem.

Institutionellen Investoren fehlt es nicht am Appetit, oder am Verständnis für die Assetklasse. Regulatorische Schranken machen es für sie in Europa fast unmöglich in Venture und Private Equity Fonds zu investieren. Europäische Fonds müssen ohne diese Milliardenschweren Investoren auskommen und sind folglich kaum für späte Wachstumsrunden (höher als EUR 50m) gerüstet.

Die Schweden haben (in Europa) dieses Problem am besten verstanden und einen Lösungsweg gefunden. Wiederum geht es um die Börse. In Schweden empfiehlt man Startups früher an die Börse zu bringen – etwa statt einer Series B oder C (vlg. Segment „First North“ – NASDAQ Nordics). Eine erfolgreiche Strategie für besonders kapitalintensive Branchen wie Life Science oder Biotech, wie sich zeigt. Für viele – nicht aber für mich – überraschend, ist Schweden auch in vielen Startup Statistiken führend. Schweden in Zahlen ist eigentlich gut vergleichbar mit Österreich, was die nachstehende Tatsache umso schmerzhafter macht: „In Schweden konnten Start-ups im vergangenen Jahr bei 234 Runden (Österreich 145) ein Volumen von 1,75 Milliarden Euro und damit mehr als achtmal so viel wie Österreich erzielen.“ schreibt Florian Haas, Leiter Start-up-Ökosystem von EY Österreich in einem Artikel aus dem Mai 2021.

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