Unternehmensbewertung ist eine der anspruchsvollsten Disziplinen der Betriebswirtschaftslehre, insbesondere weil man der paradoxen Realität ins Auge sehen muss, dass ein Unternehmen für unterschiedliche Käufer / Investoren zum selben Zeitpunkt tatsächlich unterschiedliche Werte aufweist. Die Komplexität der Bewertung steigt ferner, je „jünger“ ein Unternehmen ist und je mehr immaterielle Vermögenswerte (z.B. Patente, Marken, Know-How, Prototypen, etc.) in diesen vorhanden sind. Bei Startups kommen beide Faktoren regelmäßig zusammen und das macht die Geschichte dann richtig knifflig.

Investoren und Startups haben – ganz natürlich – unterschiedliche Vorstellungen zur Unternehmensbewertung und diese werden am Verhandlungstisch zusammengeführt (oder auch nicht). Selbst unter Investoren gibt es häufig unterschiedliche Bewertungsansätze. Dieses Paradoxon ist allerdings anhand zweier grundverschiedener Gruppen von Investoren leicht erklärt:

  • Der Stratege (z.B. Beteiligung eines Konzerns): Ein strategischer Investor (z.B. ein Konzern mit relevanter Marktstellung) wird den Unternehmenswert eines Startups dann höher einschätzen, wenn starke wirtschaftliche Synergien und / oder auch andere strategische Interessen zu Grunde liegen. Ein Startup wird gegenüber dem selben Unternehmen einen höheren Wert aufrufen, da es durch eine strategische Beteiligung den Zugang zu Mitbewerbern verlieren könnte und / oder vergleichsweise viel Kontrolle zu verlieren befürchtet.
  • Der Finanzinvestor (z.B. Venture Fund): Der Finanzinvestor rechnet – je nach Restlaufzeit seines Fonds – mit einem Ertrag, der binnen einer Laufzeit (in der Regel 5 bis 6 Jahre – max.), erzielbar sein muss – dabei kalkuliert er eine weitere Verwässerung.

Anmerkung: Bei Folgeinvestitionen verhalten sich beide Investorengruppen ebenfalls sehr unterschiedlich. Während ein Konzern runde über Runde ein Unternehmen übernehmen kann und wird, ist ein Finanzinvestor stärker Wachstums und Kennzahlen getrieben. In sofern sind die Interessen von Finanzinvestoren und von Startups eher gleichgeschaltet – nämlich mit einem klaren Fokus auf einen Exit. Ein Konzern, kann bereits alleine durch das „Aussperren“ des Mitbewerbs, den Zugang zu wichtiger Technologie oder zu wertvollen Fachkräften (vgl. „Acqui-Hire“) profitieren, somit rechnen sie einfach anders. Ein weiterer wichtiger Umstand der neben der Bewertung als solcher bedacht werden sollte.

Die Bücher Handbook of Research on Venture Capital (Elgar Original Reference) (2007) und Handbook of Research on Venture Capital: A Globalizing Industry (Handbooks in Venture Capital Series) (2014) – beide von Hans Landström – geben einen sehr guten Überblick über die unterschiedlichen Verhaltensweisen, Erwartungshaltungen und Strategien von informellen Venture Capital Investoren (Business Angels) bis hin zu Corporate Venture Capital Fonds – sowie den regionalen Unterschieden dieser globalisierenden Industrie.

Unternehmensbewertung bei etablierten Unternehmen

Bei etablierten Unternehmen kommen marktübliche Verfahren – in Österreich etwa das sog. „KFS BW1“ (Verfahren für Fachgutachten der Kammer der Wirtschaftstreuhänder) – zum Einsatz. Dieses Verfahren zeigt einen Liquidationswert, zieht Vergleichswerte (Multiples) und ein Verfahren das die Abzinsung zukünftiger Zahlungsflüsse (DCF) als Grundlage hat heran. Der Durchschnitt dieser Verfahren ergibt dann den Unternehmenswert.

Diese Verfahren kommen in der Venture bzw. Private Equity Praxis in abgewandelter Form zur Anwendung. Diese Investoren sind Exit orientiert (Zielen also auf einen Verkauf ihrer Beteiligungen ab) – somit müssen sie eine zeitliche Schranke einziehen. Sie rechnen mit einer Verwässerung durch spätere Finanzierungsrunden und sie gehen davon aus, dass in einem Portfolio weniger als 10% des eingesetzten Kapitals für mehr als 90% der Erträge verantwortlich ist – schützen sich also vor Abschreibungen die Teil des Geschäfts sind. Die Bewertung von High-Tech Firmen ist ferner stark von immateriellen Vermögenswerten und Know-How beeinflusst, durch Real Optionen (in der Regel vertragliche Sonderrechte bzw. Absicherungen für Investoren oder Optionen für Gründer (z.B. ESOP)) eine Unternehmensbewertung zumindest von außen betrachtet massiv verzerren kann.

Die Bewertung von Startups folgt eigenen Standards

Für junge Wachstumsunternehmen (Startups) kommen spezielle Verfahren zur Anwendung, die sich an internationalen Standards (IPEV Valuation Guidelines) orientieren. Venture Capital Fondsmanager, sowie professionelle Dienstleister folgen diesen Standards. Je länger ein Manager im Geschäft ist, umso besser ist seine Datenbasis und umso ausgeprägter sind seine Erfahrungswerte – diese Faktoren sind wesentlich für die Einstellung der Bewertungsmodelle. Ein erfahrener Fondsmanager (meist ehemaliger Gründer), kann Risikofaktoren, Wachstumspotenziale (Erwartungswerte bei einem zukünftigen Verkauf), die Haltedauer und die Qualität eines Teams viel besser einschätzen und bewerten als ein spitzen Banker / Theoretiker.



Die Bewertung eines Unternehmens und die Strukturierung einer Transaktion gehen bei Venture Capital Hand in Hand. Deshalb rate ich auch immer davon ab – Juristen oder Steuerberater die Führung einer Transaktion zu übergeben! Venture Capital Manager bewegen sich „interdisziplinär“ zwischen diesen Stakeholdern und dürfen diese Themen nicht losgelöst von einander betrachten. Der Preis einer Transaktion – also die Mischung aus einer Bewertung (= Unternehmensanteile gegen Investment) und der vertraglich strukturierten Ansammlung von Bedingungen (die viele wichtige Regeln mit Einfluss auf den Verkaufspreis, die Liquidität und ähnlichen in unterschiedlichen Szenarien beinhalten) –  ist die Grundlage eines erfolgreichen Investments. Wenn man bereits zum Investitionszeitpunkt einen Fehler macht – etwa zuviel bezahlt hat oder die möglichen Szenarien eines Investments schlecht abgesichert – ist ein Investment in Zukunft deutlich schwieriger zu einem wirtschaftlichen Erfolg zu bringen, als wenn man hier einen soliden Job gemacht hat.

Die Bewertungstechnik der Business Angels

Business Angels wenden (bewusst oder unbewusst) in früheren Entwicklungsphasen nochmal andere Bewertungsmodelle an. Business Angels nehmen sich – im Gegensatz zu Venture Fonds oder Corporates – sehr viel Zeit für einige wenige Startups. Sie vernetzen sich in Clubs, oder Investmentgruppen und teilen sich die Arbeit informell auf. Über die Zeit erlangen sie „scheibchenweise“ ein Verständnis und tiefere Einblicke als so manche Due-Diligence gewährt – da sie Startups einfach über eine Zeit als unternehmerischer Begleiter beobachten. Wenn Business Angels sagen, sie investieren schnell, manchmal ohne Due-Diligence, einfach in einem tiefen Vertrauen auf eine Geschäftsidee und ein Team – dann stimmt das nur bedingt. Der Lead-Angel der einen Deal aufbereitet, macht in der Regel sehr wohl eine Hausaufgaben – aber externe Transaktionskosten versucht man tunlichst zu vermeiden. Anmerkung: Nur verständlich weil eine Due-Diligence, Unternehmensbewertung und Transaktionsstrukturierung eines Corporate Venture Deals kann schnell mal EUR 30.000,– ausmachen  – das wären 30% Kosten bei einem Investment von EUR 100.000,–, welches für einen Business Angel schon recht viel wäre.

Aber was kann ein Business Angel eigentlich bewerten? Unternehmen in sehr früheren Entwicklungsphasen (etwa zur Gründung oder kurz davor bzw. danach) bestehen in der Regel aus einem Team, einer guten Idee (vielleicht einem Prototypen), ein paar wenigen Verträgen, einer Vision und dennoch sind sie nicht selten mit ein, zwei Millionen Euro bewertet. In solchen Fällen greifen die oben angeführten Verfahren nur selten und Ansätze wie die Berkus Methode kommen zur Anwendung – ein Modell das aus der Praxis von Business Angels abgeleitet wurde.

5 Tipps zur Bewertung von Startups

Alle beschriebenen Bewertungsansätze haben eines gemeinsam, sie letztlich dazu eine Indikation eines fairen Unternehmenswerts, unter bestimmten Annahmen, zu einem bestimmten Zeitpunkt zu bestimmen. Ein Wert der als Grundlage für Verhandlungen und zur Strukturierung von Mechanismen in Beteiligungsverträgen herangezogen wird. Welcher Preis aber letztlich für Unternehmensanteile gezahlt wird – das entscheidet der Markt und dort wird nicht immer die höchste Bewertung die Zustimmung der Gründer finden, sondern der beste Investor, mit dem besten Angebot.

  • Wenn ihr Investment keine ausreichend hohe Chance hat, eine adäquate Risikoprämie, unter erwarteter Verwässerung, in angemessener Zeit, zurück zu zahlen – ohne den Gründern die Kontrolle über ihr Unternehmen zu  nehmen – dann sollten sie es ziehen lassen! Mit der Venture Capital Methode – können sie das gut im Kopf überschlagen.
  • Stellen sie Kennzahlen vergleichbarer Unternehmen gegenüber. Suchen Sie nach einem Branchen-Multiple den sie ansetzten können (z.B. Finance Magazin) und schlagen sie eine Prämie für die illiquidität eines Venture bzw. Private Equity Investments auf.
  • Evaluieren sie Alternativen – eine Kapitalerhöhung ist ev. ohne professionellen Lead-Investor (häufig Venture Capital Fonds) nicht ratsam. In solchen Situationen empfiehlt es sich ein Darlehen mit Wandlungsrecht oder eine Option zu strukturieren.
  • Nutzen sie vertragliche Bedingungen (Terms) zum Ausgleich. Durch geschickten Einsatz von Vorzugsrechten, Regeln bzw. Absicherungsklauseln kann man Bewertungsunterschiede sehr schön ausgleichen.
  • Ziehen sie einen unabhängigen Experten bei. Startups und Investoren geben in der Regel viel zu viel Geld für Anwälte aus – da sie mit tickender Uhr hin- und her verhandeln. Das beiziehen eines Experten – etwa von Venionaire Capital oder eines Mitbewerbers kann sehr viel Zeit, Geld und Kopfschmerzen sparen!

Anmerkung: Da das Startup immer direkt (aus dem Investment) oder indirekt (über einen Abschlag auf die Bewertung) die Transaktionskosten bezahlt, ist dieses auch gefordert den Investmentprozess so effizient und friktionsfrei wie möglich zu strukturieren.