Vor rund zwei Wochen hatte ich die Ehre eine hochkarätig besetzte Delegation der Republik Österreich nach New York City als Teilnehmer zu begleiten. Ziel unserer Reise war die weltweit führende Finanz- und Wirtschaftsmetropole New York City (NYC) – eine Stadt die sich regelmäßig neu erfindet, eine Stadt die niemals schläft – zu erkunden und zu lernen. Darüber hinaus wurde natürlich der Wirtschaftsstandort Österreich vermarktet.

Ministerin Schramböck (Digitalisierung und Wirtschaftsstandort) führte die Innovations- und Inspirationsdelegation (siehe Instagram) an, während Hartwig Löger (Finanzminister) zu einer Veranstaltung mit Kapitalmarktfokus unter dem Titel „Sound of Finance“ lud. Die Teilnehmer dieser Reisen – u.a. 10 CEO’s führender ATX Firmen, der Chef der Nationalbank, sowie führende Investoren und Vertreter der Startup Szene, sowie Top-Manager verschiedener Banken – nutzten die 3 intensiven Tage natürlich auch zum Austausch untereinander.

Ziele der Reise

Wie man sich gut vorstellen kann sind Delegationsreisen dieser Art sehr straff durch geplant – da man die Zeit (meist ja nur 2-3 Tage) im fernen Ausland möglichst Effizient nutzen möchte. Ministerin Schramböck – ehem. Top-Managerin aus der Telekom Industrie – ist besonders bekannt dafür effizient zu arbeiten. Die Ziele waren einerseits Eindrücke und Inspiration zu sammeln, aber natürlich auch Projekte abzuschließen bzw. einen Meilenstein zu besiegeln. Ministerin Schramböck hat so einen Meilenstein mit weWork bzw. weWork Labs gefeiert und einen wichtiges Projekt für den Wirtschaftsstandort Österreich voran gebracht. WeWork Labs in New Yorks wird in naher Zukunft ein paar führende Startup-Talente fördern und bei der Expansion in die Vereinigten Staaten von Amerika unterstützen – im Gegenzug arbeitet das weltweit führende Startup Ökosystem daran einen Standort in Wien zu eröffnen.

International führende Firmen und Netzwerke an den Wirtschaftsstandort Wien anzudocken ist für unser (noch sehr junges) Ökosystem unerlässlich. Die digital Ökonomie verlangt von einem global Akzente zu setzen – der österreichische oder deutsche Markt ist schlicht zu klein. In Berlin hat man dies früher erkannt – so sitzen bereits alle (Facebook, Google & Co) dort und es hat sich rundherum einer der stärksten Hubs entwickelt. Bei besteht hier dringend Nachholbedarf. Der Schritt ist also tatsächlich extrem wichtig und darf nicht unterschätzt werden.

Wichtige Erkenntnisse

Nach so einer Reise muss man die Erlebnisse und Eindrücke erst einmal verarbeiten. Ich habe mir bewusst Zeit gelassen diesen Blog-Beitrag zu schreiben. Was nach einem Besuch im Silicon Valley oder in „Silicon Alley“ (Spitzname für New York als Startup-Stadt) hängen bleibt, ist die Gewissheit das wir uns zu Hause (in Österreich) bislang auf „alten“ Erfolgen ausruhen und uns wahnsinnig schwach im Ausland vermarktet haben. Es erscheint einem plötzlich glasklar das wir schnell ein paar mutige Schritte setzen müssen, um in Sachen Innovation und Zukunftssicherung aufzuholen. Wir haben auf diesem Gebiet einiges verschlafen!

Die Realität zeigt auch, dass uns sehr schnell der Alltag einholt. Es holt uns die Ernüchterung ein, dass es kaum etwas hilft wenn einzelne (sogar Politiker oder die Regierung) das Problem erkannt haben – es bedarf nämlich auch eines kulturellen Wandels. Ein Umdenken hin zu mehr Affinität für Risiko, Unternehmertum kann man nicht „erzwingen“ oder durch kleine politische Akzente erreichen. So ein Wandel Bedarf einer Bewegung – es muss ein Ruck durch die Bevölkerung gehen. Es braucht erfolgreiche (mutige) Vorbilder, die sich zunächst aber Exponieren und als Pioniere das Risiko nehmen, gewinnen oder auch eine Blamage in Kauf nehmen.

Wenn wir darauf warten das die „nächste“ Generation diese Vorbildrolle einnimmt, dann wird es noch ein, zwei Jahrzehnte brauchen bis wir aufgeholt haben. Viel wichtiger wäre es die Erfolgsgeschichten der rund 250 Welt- und Europamarktführer zu erzählen und diese Pioniere die wir bereits haben ins Rampenlicht zu stellen. Österreich ist ein Land der Unternehmer und es wird Zeit das wir sie feiern!

In Österreich hat sich in den letzten Jahren sehr viel in Sachen „Startup-Ökosystem“ getan. Wir haben eine steigende Gruppe lokaler „neuer“ Helden (z.B. Florian Gschwandtner, Runtastic; Michael Müller und Michael Altrichter, Paysafecard oder Markus Ertler, Immobilien.net, etc.) die für ihre Erfolge öffentlich gefeiert werden und die sich auch als Vorbilder für die nächsten Generationen von Gründern zur Verfügung stellen. In Summe sind es stattliche 50 Gründer die nach ihrem erfolgreichen Exits in Österreich als Business Angels aktiv versuchen das Ökosystem zu entwickeln und als Treiber fungieren. Viele weitere Privat-Investoren folgen diesen Investoren und sind als Co-Investoren regelmäßig aktiv. Netzwerke wie Startup300, AAIA, Tyrolian Business Angels, Investors Circle (Suraa), eQventure oder European Super Angels Club vernetzen diese Investoren in verschieden Teilen Österreiches.

Mittelständische Unternehmer und Institutionelle Investoren halten sich aus der Szene noch weitgehend fern. Die Österreichische Startup Szene boomt und es wäre noch sehr viel mehr raum für Investoren in allen Segmenten.

Zurück zu unserer Reise – was haben wir gelernt und was nehmen wir mit?

Erkenntnis 1: Österreicher verkaufen sich regelmäßig unter ihrem Wert!

Es war niemand geringer als Hikmet Ersek (CEO, Western Union) der in seiner Rede bei „Sound of Finance“ eine Brandrede auf seine alte Heimat Österreich hielt – man muss sogar sagen das er sich mit einem Appel an das Auditorium richtete in dem er sagte: „Die Schweizer würden sich nie als >> kleines Land << vorstellen!“. Österreicher müssen lernen ihre stärken zu Präsentieren, etwa eine der höchsten Forschungsquoten der Europäischen Union, man ist auch Heimat der meisten Welt- und Europa-Marktführer (Mittelstandsunternehmen) per capita, sowie von ungewöhnlich vielen führenden Unternehmen in CEE (insb. Banken und Versicherungen).

Es ist gerade zu herausragend wie viele Studenten nach Österreich kommen, um an unseren alt-ehrwürdigen und neueren (technischen) Hochschulen zu studieren – auch hier sind wir absolute europäische Spitze!

Die schöne Natur, die Reichhaltigkeit an kulturellem Angebot, die Geschichte des Landes, sowie die seit 10 Jahren ausgezeichnete höchste Lebensqualität der Welt in der Hauptstadt (Wien), die Neutralität, der Fakt das wir die meisten internationalen Organisationen beherbergen und das kompromisslose Bekenntnis zu nachhaltiger Energie erscheint in diesem Zusammenhang nur noch wie der Schlagobers auf der Sachertorte.

Wir dürfen und müssen stolz sein! Österreich ist großartig und wir (Unternehmer und Politiker) müssen aufhören uns zu entschuldigen – unser Pitch darf kraftvoll und stolz sein. Wie man es richtig macht, zeigt der Lord Major der City of London, den ich gerade erst vorgestern in Maison House (London) treffen durfte:

Erkenntnis 2: Was man selbst nicht im Land hat, muss man ins Land holen!

Die Amerikaner verschenken wahrlich keine Reisepässe und sind längst kein Land mit offenen Grenzen mehr. Im Gegenteil – sie sind für ihre durchaus strickte Einwanderungspolitik bekannt, ABER wer etwas außerordentlich gut kann der wird wiederum aktiv ins Land geholt (egal ob Wissenschaftler, Sportler oder Investoren). Das ist exakt jene Politik für die Kanzler Sebastian Kurz aktuell von der Opposition kritisiert wird. Ich habe viele Jahre bemängelt das wir in Österreich keine Strategie in diesem Bereich haben. Wir waren sogar so doof, dass wir Talente (häufig mit Applaus) beim Abwandern begleitet haben – wenn etwa eine Firma verkauft wurde. Dabei brauchen wir jede Menge Talente – mehr als wir haben!

Ministerin Schramböck, hat das Problem fehlender Schlüsselarbeitskräfte erkannt und auch sofort verstanden das es zu lange dauern wird „eigene“ Talente aufzubauen (obwohl auch dies verstärkt passieren soll). Der ABA – bisher für direkt Investitionen aus dem Ausland zuständig – werden in diesem Bereich neue Zuständigkeiten als „Standort Agentur“ gegeben.

Die ABA wird in Folge im Zukunft aktiv im Ausland Fachkräfte / Talente anwerben, die wir dringend im Land brauchen. In vielen Fällen würde es schon reichen, wenn wir die internationalen Studenten die an unseren Hochschulen ausgebildet werden nach ihrem Abschluss im Land halten würden (aktuell erschweren wir es noch vielen bei uns zu Arbeiten) – hier soll eine Reform der „rot-weiss-rot-Karte“ Wirkung zeigen. Eine Politik die mir sehr gefällt und wirklich überfällig war und ist.

Erkenntnis 3: Großteil des Welt-BIPs kommt aus Industrien die noch nicht digitalisiert wurden

Unser Besuch bei den weltberühmten BELL LABS war für mich das größte Highlight. Nicht so sehr weil mir alleine die Geschichte imponierte, welche etwa unzählige Nobelpreis Träger oder die Entwicklung mehrerer Programmiersprachen umfasst – Nein – mich hat der Blick in die Zukunft aus dem Blickwinkel der Einrichtung begeistert und zum Nachdenken gebracht.

Ich fühlte mich nach dem Feuerwerk an genialen Inputs kurz erschlagen – musste auch das ein oder andere im Anschluss recherchieren und reflektieren. Heute hab ich meine Gedanken zusammen – der wohl wichtigste Input war einerseits das nur rund ein Drittel der Industrien (gem. an ihrem Anteil an der weltweiten Wirtschaftsleistung) heute als stark industrialisiert gelten – die übrigen 2/3 kommen noch. Was wir also erleben ist gerade erst der Anfang und man sieht ganz klar auf welche Bereiche man sich konzentrieren sollte (siehe Grafik).

Fast noch interessanter ist in diesem Zusammenhang die Erkenntnis, dass es in der Vergangenheit in Wellen der industriellen Revolution immer zu signifikanten Produktivitätssteigerungen gekommen ist. Diese Produktivitätssteigerung ist in der jüngsten Digitalisierung ausgeblieben. Was sagt uns das? Die Phase der Digitalisierung in der wir uns befinden ist eine Überbrückungs- oder Vorbereitungsphase – die echte Revolution wird erst passieren.

Daten werden heute verfügbar gemacht – morgen können wir auf Basis dieser Arbeiten. Leistungsstärkere Infrastruktur, bessere Datennetzwerke (Blockchain), Rechenleistung (Quanten-Computing) und Co. werden eine völlig neue Ebene der Produktivität ermöglichen.

Erkenntnis 4: Die Produktivität ist in den letzten Jahren kaum gestiegen.

Wir (Österreicher / Europäer) haben vielleicht den Anfang der digitalen Revolution verschlafen – sollten allerdings sehr schnell lernen wo die „echten“ Disruptoren und Produktivitätshebel der Zukunft liegen werden. Wir haben hierzu mehr Asse in der Hand als wir denken.

Bisher hatte die Digitalisierung eher einen enttäuschenden Effekt wenn wir uns den Beitrag zur Produktivität ansehen.

Wie aber findet man die „Gamechanger“ der Zukunft? Wie identifiziert und fördert man die richtigen Teams und Technologien? Diese und viele weitere Fragen sind es die uns beschäftigen sollten. Es ist (leider) unmöglich eine qualifizierte Vorhersage zu machen – man kann/muss lediglich ein Ökosystem oder ein Netzwerk solcher Ökosysteme schaffen die interdisziplinäre Innovation, Kreativität, Trail-and-Error Experimente fördern und zulassen.

Ich habe aus New York 4 wichtige Bausteine mitgenommen, welche alle gleichermaßen wichtig erscheinen um eine Ökosystem zukunftssicher zu machen. Diese Bausteine finden sich in unterschiedlichen Initiativen in NYC (wie etwa NewLab, WeWork Lab, Navy Yards, etc.) wieder und sollten uns auch in Österreich als Schablone dienen.

Baustein 1: Symbiose aus Universitäten, Industrie und Unternehmern fördern.

Österreich steckt jährlich unglaubliche Summen in hochwertige akademische Bildung / Forschung an Universitäten und Fachhochschulen. Wir schaffen es aber bei weiterem nicht die wissenschaftlichen Resultate in Wirtschaftsleistung umzuwandeln. Innovation lebt von sogenanntem Technologietransfer und von angewandter Forschung.

Hierzu Lande gibt es seitens der Forscher (Universitäten) zu große Bedenken gute Köpfe an Spin-Offs „zu verlieren“ – Förderungen der FFG die diesen Zweck grundsätzlich verfolgen werden vielfach eher als Quer-Subventionierung (unabhängiger) universitärerer Forschung verwendet. Das ist frustrierend. Es muss Anreize geben die eine engere Zusammenarbeit von Unternehmern und Forschern ermöglichen.

Baustein 2: Innovation braucht langen Atem

NewLabs operiert als privat wirtschaftlicher Innovationsspace und Venture Capital Fonds in einem ehem. Schiffsbau-Gebäude (Navy Yards) das mit USD 10m aus Eigenmitteln (privat) und USD 40m seitens der Stadt New York gefördert wurde. Die Höhe der Förderung ist besonders bemerkenswert, da öffentliche Subventionen in den USA sehr verpönt sind und nur sehr selten gewährt werden. Darüberhinaus ist es bemerkenswert das die Stadt dem Unternehmen freie Hand lässt und lediglich die Umsetzung des Vorhabens generell prüft. Die Ergebnisse nach bereits rund 5 Jahren können sich aber sehen lassen – der Wert der entwickelten Firmen übersteigt bereits die Mrd. USD.

Es war wichtig das es sich hierbei nicht um Kredite oder Meilenstein abhängige Förderprogramme (wie sie etwa bei uns üblich sind) handelte – man hat dem Zentrum bewusst einen weiten Spielraum gelassen.

Baustein 3: Regulatory Sandbox – Fast-Track zu Förderungen, Genehmigungen, etc.

Es ist wichtig das Innovationen experimentell erprobt werden können – man muss schnell testen, verwerfen und sich neu-orientieren dürfen. Flexibilität und möglichst wenig Bürokratie sind hier der Schlüssel – so hat NYC etwa in den Navy Yards eine umfangreiche Sandbox geschaffen, welche schnelleren Zugang zu Förderungen, rechtliche Sandboxes und ähnliches bereitstellt. Eben alles was man braucht um „verrückte“ Innovationen experimentell zu erarbeiten.

In Österreich wurde z.B. eine FinTech Sandbox geschaffen – diese sollte man schnell an die UK FinTech Sandbox anschließen, die gerade durch das DIT, Invest UK und den Lord Major der City of London gestartet wurde. UK hat eine Sandbox für FinTechs geschaffen die auch für Singapur, Hong-Kong und Australien gilt – somit können Unternehmen unter einer „soft-regulierung“ sofort international arbeiten und US Firmen tatsächlich die Stirn bieten.

Baustein 4: Innovieren heißt investieren!

Ein funktionierender vorbörslicher Kapitalmarkt, bestehend aus regulierten Private Equity, Venture Capital Investoren, sowie informellen Kapitalgebern (Business Angels) ist ebenso wichtig wie ein starker Kapitalmarkt. Hier hat NYC einen klaren Vorteil als führende Finanzmetropole und als Heimat der meisten Fortune500 Unternehmen der Welt. Österreich – könnte hier nur mithalten, wenn man die rund 250 Welt- und Europa-Marktführer als Investoren und Innovationspartner mobilisieren könnte.

Innovatoren brauchen etablierte Partner und umgekehrt. In Amerika (insb. NYC) scheint es gerade zu selbstverständlich das Konzerne und führende SME’s in Venture und Private Equity investieren – dies gilt auch für Pensionskassen, Banken und Versicherungen. Letztere sind bei uns gerade zu auf der Flucht vor unserem Sektor, da sie das Risiko von Ausfällen und die enormen Eigenkapitalunterlegungen scheuen.

Das Risiko als Volkswirtschaft in keiner Weise zukunftssicher aufgestellt zu sein wird somit (faktisch) völlig ignoriert – obwohl viele Vorstände grundsätzlich verstehen das man in diesen Bereich investieren müsste.

Baby Steps sind besser als Stillstand!

Wenn man sich bewusst macht, dass bisher der Kapitalmarkt kaum ein Thema für unsere Politiker war, dann sind die gefühlten „Baby Steps“ (aus Sicht der Marktteilnehmer mit internationalem Exposure) die wir machen – dank Ministerin Schramböck – bereits riesen Schritte. Wir dürfen uns damit aber nicht zufrieden geben.

Der Rest der Welt schläft nicht und wir müssen (ohne parteipolitische Eitelkeiten) auf breiter Basis verstehen das Innovation, Wirtschafts- und Standortpolitik kaum jemals von so hoher strategischer Bedeutung war wie heute. Wir verlieren aktuell im globalen Wettbewerb und das hat unsoziale Folgen für uns alle – wenn wir nicht reagieren!

Österreichs Startup-Paket, die Kooperation mit WeWork das Zusammenlegen der beiden AWS Fonds (Mittelstandsfond und Gründerfonds), die Startup- und Programmierer-Lehrlingsausbildung sind wichtige Maßnahmen – aber es fehlt noch an vielen weiteren Bausteinen und insbesondere an finanziellen Ressourcen Innovationen, Produkte und Services global skalieren zu können. Zur Vermeidung von Missverständnissen sei eines klar gestellt: Ich sehe hier nicht „nur“ die Politik in der Pflicht – es wird zusätzlich private Initiativen brauchen und diese werden kommen, wenn die Politik weiterhin Verbesserungen der Rahmenbedingungen schafft.

Wir sind als Unternehmer gefordert!