Was ist eigentlich los mit uns Österreichern? Wir sind doch nicht ohne Hausverstand auf die Welt gekommen. In ökonomischen Fragen setzt dieser dennoch regelmäßig viel zu oft aus. Wenn wir als Nation halbwegs unbeschadet aus der Krise kommen wollen, müssen wir zusammenrücken und müssen mehr den je Zusammenarbeiten. Jeder kann helfen, in dem etwas mehr Sensibilität für regionale Produkte, Services und Dienstleistungen aufgebracht wird. Ein klein wenig gesunder Patriotismus ist heute angebracht, keine Aufrufe zum Klassenkampf á la „Millionärssteuer“. Ein Blick in die Zahlen zeigt, dass es maximal im Bundeshaushalt (wo letztes Jahr mehr als EUR 190 Mrd. Ausgaben verbucht wurden), das Potenzial für Einsparungen lege, wobei (realistisch) Einsparungen hier wohl ebenfalls kaum rasch umsetzbar sind. Was bleibt, ist die Wirtschaft anzukurbeln, die Beschäftigung nach oben zu bekommen und damit wiederum Steuereinnahmen in den nächsten Jahren.

Nachbars Rasen ist grüner

Jede Woche lese ich auf Facebook, LinkedIN in Beiträgen, wo sich Menschen echauffieren über die reichsten Milliardäre der Welt, wie Jeff Bezos, Bill Gates, Mark Zuckerberg und ihre Konzerne wie Amazon, Microsoft und Facebook. Zu reich und zu mächtig sind sie alle samt geworden. In der Welt der Technologie-Riesen spielen wir Österreicher bzw. Europäer nicht mit, aber gestohlen wurde uns auch nichts. Wir haben hier schlicht eine Welle verschlafen. Warum eigentlich? Österreich ist doch ein Land mit weltweit erfolgreichen Unternehmen (siehe Leitbetriebe Österreich). Weit über 200 Hidden Champions (gem. EU Definition), setzen bis heute nicht nur in einer Branche Standards. Darauf dürfen wir stolz sein. Das Geschäft mit Bits & Bytes kann bei uns ebenfalls funktionieren, aber wir müssen darauf vertrauen und in unsere Hidden Champions von morgen investieren. Raunzen bringt uns nicht weiter. Jeder Konsument kann in diesem Bereich, als Kunde, mit einem Investment in heimische Lösungen helfen. Digitalisierung ist eine riesen Chance für den Standort, das Thema gehört weder den Amerikanern noch den Chinesen.

Dornröschen wach auf

Europa hat vieles verschlafen. Das Bewusst sein das wir in totale Abhängigkeit geschlittert sind haben in den letzten Wochen wirklich alle hautnah mitbekommen. Im Shock – nach 40 Jahren fehlgesteuerter Politik – jegliche Produktion nach Hause zu holen, halte ich für überzogen. Die Globalisierung werden wir nicht Rückabwickeln können. Eine Zeitreise in die Vergangenheit und ein wieder herbei sehnen der Industrialisierung wäre ein Rückschritt, abgesehen davon das es unrealistisch ist dies kurzfristig unter Beibehaltung der Wettbewerbsfähigkeit zu bewerkstelligen. Es würde schon reichen, wenn wir bei regionalen Onlineshops kaufen, statt bei Amazon, wenn wir Kommunikationslösungen wie Grape (aus Wien), statt Slack, Videotelefonie von Eyeson (aus Graz) statt Zoom, Webinare mit courseticket.com statt über gotowebinar anbieten.

Wenn wir auf E-Commerce, Software und Kommunikationssektor schauen, sieht es fast so aus als ob es keine Alternativen zu US Lösungen gebe. Das ist aber ein Irrtum, ich habe selbst bewusst vor vielen Jahren begonnen in die meisten der oben genannten Firmen investiert weil ich keine Abhängigkeit internationaler Tech-Konzerne in diesem Bereich haben wollte. In der Breite sind diese Lösungen noch viel zu unbekannt, das wird sich aber ändern – wenn wir alle etwas sensibler darauf achten welche Lösungen wir einsetzen. Es gibt immer noch Branchen (wie z.B. Apotheken) die das Internet gerne verbieten würden, der Online-Handel wird dort – trotz Angeboten aus ihren eigenen Reihen, wie Beavit.at – noch als feindlich betrachtet. Diese Abwehrhaltung hat dazu geführt das Schweizer, Tschechische und Holländische Online-Apotheken einen Siegeszug starten konnten und in Österreich täglich weitere Marktanteile abknabbern. Wachen wir hier auch erst auf, wenn es zu spät ist? Die Taxi Innung hat hundert tausende Euro in Klagen gegen UBER investiert, statt eine vernünftige Branchenlösung auf den Markt zu bringen, die dem Kunden, vergleichbare Vorteile gebracht hätte. Mit welchem Erfolg? Warum können wir uns so schlecht mit einem Online-Business anfreunden? Warum unterstützen und motivieren wir nicht heimische Unternehmen in diesen Bereich hineinzuwachsen?

Ich habe die Hoffnung, dass Europa – unser Dornröschen – in Sachen Digitalisierung in durch die Krise ein klein wenig aufgewacht ist. Die Corona-Pandemie zwang auch den letzten Verweigerer zur Auseinandersetzung mit der Digitalisierung. Bereits Jahre zuvor wurden Förderungen und Initiativen für mehr Risikokapital in Europa vorangetrieben, sie zeigten aber nur schleppend Wirkung – wenn wir das Ausmaß der globalen Transformation der Wirtschaft betrachten. Es haben sich vor allem “Insider” mit der Materie beschäftigt und kleine Erfolge gefeiert, aber von einer breiten Bewegung sind wir noch weit entfernt. Meines Erachtens sollte es große steuerliche Anreize (etwa Freibeträge) geben, die Milliarden für eine Aufholjagt auf diesem Sektor entfesseln.

Mangels kurzfristig zu erwartender Erfolge, waren bisher Politik und Konzern-Vorstände mit echten Investitionen (weil zuviel „Risiko“) in Zukunftstechnologien bisher zu verhalten. Nehmen wir die Raiffeisen Bank International, das einzige Bankhaus in Österreich das einen Corporate Venture Fonds aufgelegt hat, mit EUR 15 Millionen. Der Größe des Konzerns wären EUR 150 Millionen. im europäischen Vergleich und EUR 500 Millionen im internationalen Vergleich angemessen gewesen. Der erste Schritt wurde hier aber wenigstens gesetzt, wo sind die übrigen Banken und Pensionskassen? Wenn Finanzinstitute nicht in die Zukunft unseres Standorts investieren, wer dann?

Einzelne Erfolge gab es im Startup Sektor natürlich – auch auf unserem Kontinenten – trotz angezogener Handbremse. Sie haben als Leuchttürme gezeigt was möglich ist. Die stiefmütterliche Sicht auf Innovation, muss heute ein Ende haben. Mit angezogener Handbremse ist kein Rennen zu gewinnen, und Krisen sind nicht zuletzt ein Motor für Innovation. Sie treffen uns außerhalb der Komfortzone, wo wir mit mutigen Schritten entgegnen können.

Nicht blenden lassen

Opportunisten gibt es immer. Sie vertreten die Ansicht, dass wir gut aufgestellt sind in Europa ohne dabei zuviel in Fakten einzutauchen. Der einfältige Verweis auf erste Unicorns tut weh. Es gibt natürlich Beispiele aus Europa die es in die Weltelite der Tech-Startups geschafft haben, der globale Anteil dieser ist aber verschwindend gering und bei weitem nicht der wirtschaftlichen Position von Europa in der Welt angemessen. Nicht alles was hinkt ist ein Vergleich, nicht alles was glänzt ist Gold. Man darf sich nicht täuschen lassen. Man muss schon auch hinterfragen warum, wer Erfolg gehabt hat und versuchen daraus zu lernen.

Meistens findet man internationale DNA, hinter den erfolgreichsten Startups. Die Gründer hätten es wahrscheinlich überall geschafft – so eben auch sogar aus Europa heraus. Europäische Investoren glänzen zu meist mit schnellen Exits, man verkauft bevor man ein nachhaltiges Unternehmen auf die Beine gestellt haben. Wir sind so zum Weltmeister im Export von Talenten und Technologien geworden. Schauen wir auf ein erfolgreiches Unternehmen mit internationaler Beteiligung – N26 (die ausgewanderten Österreicher), die aus Berlin heraus ein Unicorn gebaut haben. Die Mittel und die Unterstützung (abgesehen von den Business Angels erster Stunde, die sehr schnell herausgekauft wurden), kamen maßgeblich vom US Investor Peter Thiel, sowie u.a. den chinesischen Technologieriesen HorizonX und Tencent. Warum waren nicht von Anfang an auch große Europäer dabei? Ich kann mir nur auf den Kopf greifen, wenn heimische Politiker diese Erfolgsgeschichte für sich verbuchen wollen, der Beitrag war hier (leider) minimal – ich hätte hier gerne stärkeres Engagement europäischer Investoren gesehen und frage mich, wie solche Stories angesichts des kolportierten Investionskontrollgesetzes zu wiederholen sind.

Wir müssen Umdenken

Ja, wir müssen umdenken. Es muss ja nicht gleich “Silicon-Valley-Mindset“ sein. Man muss nicht gleich den Anzug an den Nagel hängen und ab morgen mit Jeans, Holzfäller-Hemd, Hoodie und langem Bart – ganz im Stil eines Hipsters – ins Büro gehen. Veränderung passiert von innen. Es reicht schon wenn wir ein klein wenig mehr Hausverstand in Wirtschaftsfragen einfließen lassen und akzeptieren die Digitalisierung als Chance zu sehen. Wenn wir ein klein wenig mehr Mitdenken, hinterfragen, lernen und zusammenhalten, haben wir bereits ein Rezept zum Erfolg.

In Österreich verwechseln wir gerne Solidarität mit Vollkasko-Versicherung. Wir fordern viel zu schnell vom Staat ein Probleme für uns zu lösen. Was wäre wenn, wir selbst Teil der Aufholjagd werden? Was wäre wenn wir wieder stolz werden auf “Made in Austria” oder “Made in Europe” und unser Land gemeinsam wieder aufpäppeln?

Wie? Ganz einfach, Computer auf, Google an und lernen, oder als Konsumenten (inkl. Staat, Land, Gemeinde und Kammern als Vorbilder) mit überlegten Kaufentscheidungen. Wir entscheiden selbst, wo wir uns sauer verdientes Geld ausgeben. Wir entscheiden, ob das Geld in Österreich arbeitet und damit im Wirtschaftskreislauf kommt – oder ob wir es ins Ausland schicken und die reichsten Milliardäre noch mehr füttern. Ein klein wenig Patriotismus ist heute angebracht, ich denke sogar das wir eine Pflicht dazu haben.

Wenn wir nicht begreifen und im kleinen beginnen umzudenken, werden wir Schritt für Schritt in Richtung Planwirtschaft gehen, oder gar einen Staatsbankrott heraufbeschwören. Arbeitsplätze in der Privatwirtschaft verschwinden, wenn Unternehmen verschwinden. Der Staat als Arbeitgeber alleine wird hier nicht helfen.

Change beginnt beim Kopf

In einem Unternehmen, genauso wie in einem Staat, ist es wichtig das die Führungsspitze einen Change-Prozess einläutet und trägt. Es ist wichtig mit gutem Beispiel voranzugehen. Impulse aus der Masse, kann man nur erwarten, wenn man einen Weg selbst vorlebt (außer man legt es auf eine Revolution an). In Österreich haben wir genau in diesem Punkt bisweilen ein veritables Problem. Die vorgelebten Beispiele von Oben fehlen. Die Wirtschaftskammer, Ministerien, Schulen und Krankenhäuser kaufen – leider – eine Flut an Produkten, Services und Dienstleistungen aus dem Ausland (Microsoft & Co.), obwohl es heimische Anbieter gebe die international durchaus erfolgreich sind. Aus meiner Sicht ist das ein Schlag ins Gesicht für alle Unternehmer. Man bedenke das hier Gelder aus Kammerbeiträgen genutzt werden, um Konkurrenz aus dem Ausland zu finanzieren. Gerade in der Krise wurden Unternehmer an den Rand der Gesellschaft gedrückt, zu Bittstellern gemacht, in dieser Phase zählen Umsätze mehr den je. Wenn wir uns schon darauf verständigen den Konjunkturmotor anzuwerfen, dann bitte mit Signalwirkung!